M. Müller Prof. Dr.-Ing. , FH Magdeburg FB Bauingenieurwesen
2. Dahlberger - Kolloquium
Feuchte- und salzbelastete Mauerwerke ...
Wismar 2000
(Nachfolgende Zusammenfassung dient als Ergänzung zum Beitrag Mauerfeuchtigkeit.)
Zusammenfassung
"Zauberkästchen" stellen keine anerkannte Regel der Technik dar. Durch die öffentliche Bauverwaltung dürfen sie deshalb nicht beauftragt werden.
Solange keine positiven verifizierharen Versuchsergebnisse zur Wirksamkeit unter Laborbedingungen vorliegen, ist vom Einsatz der sogenannten "Zauberkästchen" aus verschiedenen Gründen abzuraten.
1 Einleitung
Der Begriff "Zauberkästchen" oder auch "Wunderkästchen" ist in der Literatur seit Jahren gängig, zum Beispiel [1] oder [2]. Bezeichnet werden damit Geräte zur Mauerwerkstrockenlegung, die diese mittels Funkwellen oder sogenanntem "Gravo-Magnetismus" erreichen sollen.
Die "Zauberkästchen" werden seit ca. 1980 in verschiedenen europäischen Ländern vertrieben. Seit 1990 ist ein besonderer Schwerpunkt in den neuen Bundesländern zu erkennen. Regionaler Schwerpunkt ist dabei der Freistaat Sachsen.
Die Geräte werden i.d.R. mit einer "Geld - Zurück - Garantie" verkauft oder vermietet. Der Preis eines "Zauberkästchens" beträgt ca. DM 8.000.
In neuerer Zeit wurde die Wirksamkeit der "Zauberkästchen" auf verschiedenen Veranstaltungen diskutiert, so auf dem "Feuchtetag 1999" oder dem "Sachverständigentag 2000" des DHBV in Kassel.
Während die Fachwissenschaft einhellig die Wirksamkeit der Geräte bestreitet, verweisen deren Vertreiber auf eine weite Verbreitung in der Praxis sowie auf Referenzen.
In diesem Beitrag sollen ein einfacher Versuch sowie eine einfache Grenzwertbetrachtung vorgestellt werden. Darüber hinaus soll ein Ausblick auf mögliche rechtliche Probleme beim Einsatz von sogenannten Zauberkästchen gegeben werden.
2.Technische Beurteilung
Messungen zur Wirksamkeit von sogenannten Zauberkästchen wurden bereits durch die TU Wien [3] und die ETH Zürich [4] durchgeführt. Eine Wirksamkeit konnte in keinem Versuch, weder am Bauwerk noch unter Laborbedingungen festgestellt werden.
Theoretische Erklärungsversuche der Vertreiber sind nach Einschätzung des Verfassers wenig aufklärend. Es wird auf den Effekt der Elektroosmose verwiesen aber nicht erklärt, wie dieser Effekt mit Hilfe von Funkwellen realisiert werden soll. Ein entsprechender Versuchsaufbau, der unter Laborbedingungen funktioniert, wurde bisher noch nicht vorgestellt.
In einer Fernsehsendung [5] wurde vom Verfasser ein einfach durchzuführender Versuch vorgestellt. In eine Wanne wird in einem Wasserbad ein Ziegel hochkant gestellt. Das Wasser steigt zunächst auf. Nach kurzer Zeit erreicht die Wasserfront die Oberkante des Ziegels. Über einen Vergleich des Gewichtes des trockenen und des nassen Ziegels kann der Wassergehalt festgestellt werden.
Im Wirkbereich eines "Zauberkästchens" sollte nun der Wassergehalt über die Zeit reduziert werden.
Im Versuch für die Fernsehsendung konnte über einen längeren Zeitraum keine Reduktion des Wassergehaltes festgestellt werden.
Gegen diesen einfach durchzuführenden Versuch wurden aus den Reihen der Vertreiber von "Zauberkästchen" verschiedene Einwände erhoben:
- Es handele sich um neuwertige Steine
- Es sei Leitungswasser verwendet worden
- Der Stein sei nicht geerdet gewesen.
Unbenommen der Tatsache, daß nach den allgemeinen Geschäftsbedingungen der Anbieter diese Randbedingungen nicht ausgeschlossen scheinen, kann man die gewünschten Randbedingungen selbstverständlich im Labor einstellen.
Einer Einladung, Geräte an einer solchen Modellwand zu prüfen, wollten die Vertreiber der "Zauberkästchen" allerdings nicht folgen.
2.1 Einfache rechnerische Betrachtung
Dass die Aussagen zur Trockenlegung mancher Anbieter bereits durch einfachste Ahschätzungen in recht eigenartigem Licht erscheinen, soll im Folgenden gezeigt werden.
Da sich eine größere Anzahl von Anbietern von "Zauberkästchen" in der EURAFEM [6] zusammengeschlossen hat, die eine Art Gütesiegel, ein sogenanntes EURAFEM -Zertifikat zu verleihen plant, soll das Produkt eines dieser Anbieter betrachtet werden. Selbst wenn man den - unhaltbaren - Behauptungen der Anbieter folgt, daß mit Hilfe von Funkwellen eine Mauerwerkstrockenlegung erreicht werden kann, müssen wenigstens physikalische Grundgesetze eingehalten sein.
Von der Homepage [7] wurden die relevanten Angaben zum sogenannten LE - System entnommen.
Radiuswirkung in der Standardausführung bis R = 16 m, Leistung ca. 0,000018W
Prinzipiell gibt es eine Analogie zwischen dem Problem Wasser im Mauerwerk gegen die Kapillarkraft abzusenken und dem Problem Wasser gegen die Schwerkraft hoch zu pumpen. In beiden Fällen ist eine Energie notwendig, die der potentiellen Energie der Wassersäule entspricht.
Zunächst steigt das Wasser durch die Kapillarkraft nach oben. Durch den Betrieb des "Zauberkästchens" soll sich die Wassersäule wieder absenken. Dabei wird die potentielle Energie der Wassersäule freigesetzt. Schon unter den folgenden Randbedingungen müsste dabei mindestens gleichviel Energie zugeführt werden:
- Keine Durchgangsverluste durch die Wand
- Keine Energieverluste durch Decke und Boden
- Nur Außenwände vorhanden
Einsetzen der Werte zeigt, daß mit denen in [8] angegebenen Größen die behauptete Trocknung nicht erreicht werden kann. Um 1,0 M% Wasser aus der Wand zu entfernen müßte das Gerät mit den eingesetzten Daten 10 Jahre in Betrieb sein.
Das Gerät kann also wirklich zaubern!
3. Rechtliche Beurteilung
Das Bauvertragsrecht hebt bei der Beurteilung von Leistungen auf die anerkannten Regeln der Technik ab ([8] §4, (2)und §13, (1)). Diese sind eingehalten, wenn die
Regel von der Fachwissenschaft als richtig erkannt wird und sich in der Praxis bewährt hat.
Während eine gewisse Verbreitung der "Zauberkästchen" tatsächlich vorliegt, kann von einem positiven Befund der Fachwissenschaft nicht ausgegangen werden. Die "Zauberkästchen" sind damit nach [8] §13, (7) als mangelhaft zu bezeichnen.
Auch [9] §633, (1) impliziert nach übereinstimmender Auffassung der Rechtslehre und der BGH - Rechtsprechung ebenfalls die Einhaltung der anerkannten Regeln der Technik [10].
3.1 Konsequenzen für die öffentliche Bauverwaltung
Die öffentliche Bauverwaltung ist an die VOB gebunden und damit verpflichtet unter Berücksichtigung der anerkannten Regeln der Technik zu beauftragen. Trotzdem kam es in einigem Umfang zur Beauftragung von "Zauberkästchen". Zu nennen sind in neuerer Zeit beispielsweise:
- Johanniskloster in Stralsund
- Salzhaus in Bceskow
- Rathaus in Egeln
- Sächsisches Forstamt Eibenstock-Schönheide
- Staatliche Studienakademie Breitenbrunn
- Sächsisches Krankenhaus in Bad Reiholdsgrün
- Veterinäramt in Aue
- Städtischer Kindergarten in Göttin
- Turnhalle in Lehnin
Auf Beschwerden von Mitbewerbern positionierte sieh die zuständige Fachaufsicht, das Sächsische Staatsministerium der Finanzen in einem Erlaß [11] wie folgt:
Im Übrigen habe ich das Staatliche Vermögens- und Hochbauamt Zwickau angewiesen, bei künftigen Bauleistungen der Bauwerkstrockenlegungen ausschließlich Verfahren zur Vergabe zu bringen, die den anerkannten Regeln der Technik entsprechen oder deren Wirksamkeit durch Zeugnis einer anerkannten Prüfstelle nachgewiesen.
3.2 Konsequenzen für private Auftraggeber
Private Auftraggeber sind bei der Vergabe prinzipiell frei in ihrer Entscheidung. Diese Freiheit wird eingeschränkt, wenn der Aufwand steuerlich geltend gemacht werden soll. Gleiches gilt, falls Fördermittel verbaut werden oder wenn Kosten auf Dritte umgelegt werden sollen.
Besondere Probleme ergehen sich beim Verkauf von Gebäuden die mit "Zauberkästchen" trockengelegt sein sollen. Der Käufer kann diese Maßnahmen ablehnen und einen Ersatz vom Käufer für die Durchführung einer Mauerwerkstrockenlegung nach den anerkannten Regeln der Technik verlangen [12].
4. Zusammenfassung
"Zauberkästchen" stellen keine anerkannte Regel der Technik dar. Durch die öffentliche Bauverwaltung dürfen sie deshalb nicht beauftragt werden.
Solange keine positiven verifizierbaren Versuchsergebnisse zur Wirksamkeit unter Laborbedingungen vorliegen, ist vom Einsatz der sogenannten "Zauberkästchen" aus verschiedenen Gründen abzuraten.
4. Zusammenfassung
"Zauberkästchen" stellen keine anerkannte Regel der Technik dar. Durch die öffentliche Bauverwaltung dürfen sie deshalb nicht beauftragt werden.
Solange keine positiven verifizierbaren Versuchsergebnisse zur Wirksamkeit unter Laborbedingungen vorliegen, ist vom Einsatz der sogenannten "Zauberkästchen" aus verschiedenen Gründen abzuraten.
Literatur
[1] C. Arendt, Neue Erkenntnisse in der Mauerwerkstrockenlegung?, B+B, 2/94
[2] "Wunderkastl ohne Nutzen", Konsument 4/86
[3] Prüfzeugnis V 79654 der Technischen Versuchs- und Forschungsanstalt der TU Wien vom 11.5.1993
[4] F. H. Wittmann, Über unwirksame Verfahren gegen aufsteigende Feuchtigkeit, Internationale Zeitschrift für Bauinstandsetzung, 1. Jahrgang, Heft 4, 1995
[5] Unsaubere Geschäfte in Ostdeutschland, Fernsehsendung plus minus, SWR 1999
[6] https://home.t-online.de/home/e.vilh/eurafem.1.html
[7] https://www.le-systeme.de/sys4.html
[8] Verdingungsordnung für Bauleistungen: VOß, Ausgabe 1992, Beuth Verlag GmbH, Berlin Wien Zürich
[9] Bürgerliches Gesetzbuch, Deutscher Taschenbuchverlag, 4. Auflage 1999
[10] T. Sehreiter, Planung und Ausführung von Abdichtungen im Innen- und Außenbereich - Alternative Dichtung und Wahrheit, BauR 10/98
[11] Erlaß des Sächsischen Staatsministeriums der Finanzen vom 17.6.1999
[12] Landgericht Meiningen, 1999
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